hirzbrunnen

Das Hirzbrunnen

Text aus dem Jahr 1999 von Meta Scholer

Ur- und Frühgeschichte

Wenn viele Bewohner des Hirzbrunnens denken, ihr Quartier sei vor der Überbauung im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts eine gesichtslose Gegend gewesen, täuschen sie sich. Hier ein kurzer, geschichtlicher Überblick:

Wir wissen, dass in prähistorischer Zeit der Rhein einen anderen Verlauf genommen hatte – nämlich vom Hornfelsen direkt in Richtung Isteiner Klotz. Die enorme Menge Geschiebe, die der kleine Fluss Wiese im Laufe der Zeit aus dem Schwarzwald gebracht hatte, zwang den Rhein zum Umweg über das Gebiet der heutigen Innerstadt. Ein Beweis dafür sind mächtige Baum­stämme, die man im Untergrund beim Bau des Rauracher­zentrums entdeckt hat. Die Baum­stämme wurden mit der C14-Methode (Radio­kohlen­stoff­datierung) untersucht und auf ein Alter von 6500 Jahren datiert. Sie sind vom Rhein, der damals dort, das heisst im südlichen Teil von Riehen durchfloss, abgelagert worden.

Aus historischer Zeit wissen wir mehr: Es gibt Funde aus der zweiten Eisen­zeit (400 v. Chr.) aus keltischer, römischer und alamannischer Zeit (400 n. Chr.) von verschiedenen Orten unseres Quartiers. Letztere sind in die inter­nationale Archäologie eingegangen unter dem Namen «Aus dem Gräberfeld am Gotterbarmweg». Dies ist der ehemalige Name der Paracelsus­strasse.

Im frühen Mittelalter gehörte das Hirzbrunnen verschiedenen Grafen­familien aus dem Elsass oder der heutigen Nordwestschweiz. Durch Verkauf kamen einzelne Gebiete an Klöster, zum Beispiel an St. Clara oder Klingenthal. In der Reformation ging der gesamte Klosterbesitz an den Staat über, der ihn später an Handwerker, zum Beispel Gerber und Färber verkaufte. Diese nutzten für ihre Arbeit das Wasser eines Wiesen­arms, des soge­nannten Schoren­teichs. Daraus ist anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts die chemische Industrie entstanden, allerdings nicht entlang des Schoren­teichs, der heute nicht mehr besteht, sondern an verschiedenen anderen Orten der Stadt.

Die Regulierung der Wiese in ein schnurgerades, steinernes Bett zur Ver­hütung von Überschwemmungen hat ab Ende neunzehntes Jahrhundert eine zukünftige Überbauung des ganzen Gebiets ermöglicht. 1999 hat man mit der Renaturierung des Flüssleins begonnen und die ersten hundert Meter sind gemacht. Es ist jedoch keine ursprüngliche, sondern eine gestaltete Natur entstanden.

Da sich das Hirzbrunnen weit ausserhalb der ehemaligen, mittelalter­lichen Dörfer Ober- und Niederbasel befindet, ist es auf keiner alten Landkarte verzeichnet.

Entstehung des Quartiers

Nach dem ersten Weltkrieg gab es in Basel eine grosse Wohnungsnot mit 3000 Obdachlosen. Dies veranlasste die Regierung, die bestehenden Land­reserven auszuschöpfen und den Wohnungsbau zu fördern. Namhafte Architekten wie Prof. Hans Bernoulli, Paul Artaria und August Künzel konn­ten gewonnen werden. Ab 1920 entstanden die ersten Wohn­sied­lungen in den Schoren (Gebiet westlich der Tramlinie) – bis Ende Dreis­siger­jahre war dann der grösste Teil des Quartiers überbaut mit Genossenschafts­bauten oder mit Reiheinfamilienhäusern, die zum Verkauf angeboten wurden. Erst seit ca. 1960 gibt es auf dem noch verbliebenen Gelände einige Hoch­häuser.

Park und Villa des Hirschenbrunnengutes samt dazugehörigem Bauern­hof wurden dem kinderlosen Besitzer Peter Vischer von einem neu gegründeten, katholischen Spitalverein abgekauft. Von 1926–28 wurde dort das St. Clara­spital gebaut. Anschliessend übernahm das Kloster Ingenbohl, Sitz der «Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz», die Bewirtschaftung des Hauses. Das Claraspital ist das grösste Privatspital der Nordwestschweiz, das auch über eine allgemeine Abteilung verfügt (60% der Betten). Wir finden dort die Spezialitäten Chirurgie, Innere Medizin, Onkologie, Ortho­pädie, Urologie, Geriatrie und eine Diagnostik­abteilung, die auch den nieder­ge­lassenen Ärzten zur Verfügung steht, sowie eine kleine Not­fall­station für die Quartierbewohner. Im Laufe der Jahre wurde das Spital mehrmals um­ge­baut und erweitert. Der schöne Park ist tagsüber für Besucher offen, was die Quartierbewohner rege benutzen.

Bis in die Sechzigerjahre blieben drei kleinere Bauernhöfe bestehen. Heute sind sie verschwunden und es stehen dort Hochhäuser. Der noch exis­tie­rende Landwirtschaftsbetrieb des Bäumlihofs liegt seit 1954 infolge eines Landabtauschs mit Riehen grösstenteils auf Riehemer Boden. Dafür ging damals unser «Aussenquartier» Landauer an die Stadt über.

Die Grenzen des Quartiers nach Himmelsrichtungen

Im Süden, am Rhein, befindet sich der «Wildmannhorst», prominenter Ort für das Vogel-Gryff-Fest. Dort beginnt dieses mit dem Einstieg des «Wilden Mannes» aufs Floss und dem Verteilen von süssen Weggli an alle Klein­basler Dritt­klässler. Am Rhein beobachten wir auch den offiziellen Rhein­pegel, wichtiges Instrument für die Rheinschifffahrt. Zudem befindet sich in dieser Gegend die der Hoffmann-La Roche gehörende Forschungsabteilung «Basilea Pharmaceutica». An Sportanlagen gibt es den Rankhof, Nordstern, Satusgrund und neuerdings eine Dreifachsport­halle. In einem ehemaligen, schön renovierten Bauernhaus ist das Sport­amt untergebracht. Und ver­ges­sen wir nicht das Kraftwerk, das dem Namen nach Birsfelden zugeschrieben wird, aber der Stadt Basel gehört. Schlussendlich haben wir an der süd­lichen Quartiergrenze das älteste Naturschutzgebiet der Schweiz, das Rheinbord.

Im Westen ist das Hirzbrunnen begrenzt durch die Schwarzwaldallee mit dem Badischen Bahnhof, einem imposanten Gebäude des damaligen «Star­architekten» Karl Moser, gebaut von 1905–1913. Beeindruckend davor sind zwei grosse Brunnen, Werke des Bildhauers Carl Burckhardt, «Vater Rhein» und «Mutter Wiese» darstellend. Integriert in den Bahnhof ist ein Garten mit dem sog. Fürstenbrunnen und dem Salon, gedacht für den Fall, dass der Deutsche Kaiser einmal vorbeikäme. Dieser ist zwar nie gekommen, aber der Grossherzog von Baden soll zweimal von der Anlage Gebrauch gemacht haben. Das ehemalige Erstklassbuffet wird heute als Konzertsaal genutzt und nebenan wird in einer Halle Theater gespielt. Neben der Bahnlinie, die den Badischen Bahnhof mit dem SBB-Bahnhof verbindet, gibt es ein Park­haus mit tausend Einstellplätzen. Dort ist auch die Autobahnpolizei zu finden, die Ost- und Nordtangente kontrolliert.

Im Norden haben wir entlang des Flüssleins Wiese die Naherholungszone «Lange Erlen» und seit 1904 den Tierpark. Der Erlenverein trägt unseren beliebten Gratiszolli finanziell und ist auch verantwortlich für ein neues Konzept von Um- und Neubauten.

Im Osten liegt der Bäumlihof, bestehend aus zwei Herrschaftsgütern und einem landwirtschaftlichen Betrieb. Der jetzige Bauer verdient sein Geld vor allem mit dem Ertrag des Blumenfeldes, wo Private und auch Blumen­ge­schäfte sich günstig eindecken können. Im Jahr 1988 hat die Stadt Basel diesen Landwirtschaftsbetrieb von der Besitzerfamilie für 90 Millionen Franken erworben, mit der Absicht, diesen Boden für mindestens eine Generation freizuhalten als Trenngürtel zwischen Basel und Riehen.

Soziale Einrichtungen und Vereine

Wir finden mehrere öffentliche Spielplätze für Kinder und Jugendliche, eine GGG Bibliothek, drei Altersheime, zwei Alterssiedlungen, eine Tages­stätte für betreuungsbedürftige Geriatriepatienten und je ein Wohnheim für geistig und körperlich behinderte Erwachsene und Kinder. Im «Vogel­sang» steht ein Heim für Kinder in Krisensituationen und an der Hirz­brunnen­strasse eine Kindertagesstätte des Basler Frauenvereins. Drei Ärzte für allgemeine Medizin, sowie zwei Physiotherapeuten haben ihre Praxen im Quartier. Neben dem Eglisee betreibt die Basler Freizeitaktion einen betreuten Jugend­treff­punkt. Einige politische Parteien unterhalten im Hirzbrunnen Quartier­gruppen – dann gibt es den Spitexverein mit dem Stützpunkt an der Hirz­brunnen­strasse 114, wo die spitalexterne Kranken­pflege, die Hauspflege und Betagtenhilfe domiziliert sind. Es existieren auch Unterstützungsvereine für den «Elchtreffpunkt für junge Familien» und für den «Quartiertreffpunkt Rheinacker». Den «Neutralen Quartier­verein» gibt es seit 1988. Bis 2001 wurde er «Quartierver­sammlung Hirzbrunnen» genannt.

Schulen und Kirchen

An der Strasse «Zu den Drei Linden» steht ein riesiger Schulkomplex, teil­weise auf Riehemer Boden. Eine Primarschule, eine Orientierungsschule, eine Weiterbildungsschule und ein Gymnasium bieten Platz für ca. 2000 SchülerInnen. Am Schorenweg gibt es in einer Baracke zusätzlich eine kleine Primarschule. Insgesamt hat das Hirzbrunnen neun Kindergärten. Das Clara­spital betreibt eine Schule für Gesundheits- und Krankenpflege und an der Fasanenstrasse ist die Schule für sehbehinderte Kinder.

An der Ecke Kleinriehenstrasse/Hermann Albrechtstrasse befindet sich die schlichte, reformierte Markuskirche und an der Allmendstrasse die katho­lische Michaelskirche samt dem dazu­ge­hörigen Allmendhaus. Fast das ganze öffentliche Quartierleben spielt sich in den zu den Kirchen ge­hören­den Räumen ab, denn es gibt keine nennenswerten anderen Säle für Veranstaltungen.

Einkaufen und Verpflegungsmöglichkeiten

Die Bedürfnisse für das tägliche Leben können im Hirzbrunnen leicht befriedigt werden. Wir haben zwei Coop-Filialen, eine Migros, ein kleines, italienisches Lebensmittelgeschäft, zwei Bäckereien, sowie eine Apo­theke. Zudem gibt es ein Schuhgeschäft mit Paketpostablage. Ausserdem treffen wir auf eine chemische Reinigung, zwei Geschäfte für Boden­beläge, einen Sattler/Tapezieren und einen Laden für Tabakwaren und Zeitschriften. Wer aber etwas Spezielles sucht, muss in die Stadt gehen. Dies ist einfach – es gibt ja den gut ausgebauten öffentlichen Verkehr.

Das Hirzbrunnen ist ein typisches Wohnquartier und hat nur wenige Restaurants und Cafés, die meisten ohne Alkoholausschank:

  • An der Bäumlihofstrasse gibt es ein Thai-Restaurant und ein dem Coop gehörendes Café.
  • In den Schoren steht der Schorenhof und beim Tierpark Lange Erlen ein grosses Restaurant mit Gartenwirtschaft.
  • Das Claraspital besitzt zwei öffentlich zugängliche Cafés ohne Abend­betrieb, vor allem für die Patienten und ihre Besucher.
  • Einige Male pro Woche stehen das Allmendhauscafé und das Café des Quartiertreffpunktes Rheinacker fürs Publikum zur Verfügung.

Wir sitzen hier also nicht ganz «auf dem Trockenen».

Kunst im Quartier

Das Quartier ist mit Kunstwerken nicht besonders verwöhnt. Beim näheren Hinschauen finden wir aber doch einige bemerkenswerte Dinge. Im frei zu­gäng­lichen Innenhof von «Basilea Pharmaceutica» (ehemaliges Immu­no­logiezentrum) an der Grenzacherstrasse steht eine grosse, bewegliche Skulptur von Tinguely und eine weitere seiner Lebens­partnerin Niki de St. Phalle. Im Park des Claraspitals sind einige grössere Werke verschiedener Basler Künstler zu sehen. Seit der Landesgarten­schau von 1999 in Weil gibt es den sog. Regioweg, auf welchem wir alle 40 Meter auf einen Betonblock treffen, beschriftet mit typisch basle­rischen Mundartwörtern wie z.B. Rybyyse, Gyzgnäbber, Giggernillis, Lamaschi, Blaudertäsche etc. Aus gleichem Anlass schenkte Novartis der Stadt Basel eine grosse Eisenplastik von Paul Suter, die nach einem afrikanischen Tuareghäuptling «Amenocal» genannt wird und an der Wand des Reservoirs Lange Erlen ist ein Monu­men­tal­bild von Gasser zu sehen, ausschliesslich Gräser darstellend.

Wir dürfen zur Kunst auch die elf im Quartier verteilten, grösseren und kleineren Brunnen rechnen, an denen sich besonders im Sommer die Kinder erfreuen.

Industrie, Gewerbe und Wasserwerk

An der Ecke «Im Surinam/Riehenstrasse» gibt es die Firma Sauter, eine bedeutende Firma für elektronische Regeltechnik und gleich nebenan die Grosschreinerei Voellmy.

Am Schorenweg finden wir Gewächshäuser der ehemaligen Firma Ciba, die jetzt unbenutzt sind. Die dazugehörenden Bürogebäude werden von der Novartis nicht benötigt und sind fremdvermietet – früher boten sie Arbeits­plätze für 900 Personen.

Vielleicht kann man auch die grosse Busgarage der BVB zur Industrie rechnen. Dort werden unsere Autobusse und Trolleybusse gewartet und in der Nacht eingestellt. An der Allmendstrasse befindet sich der Stützpunkt «Strassenunterhalt» der Stadt Basel.

Das im Laufe der Zeit mehrmals erneuerte Wasserwerk besteht sein 1880. Gespiesen wird es von Schwarzwaldwasser aus der Wiese, von Hard­wasser, das durch eine Leitung unter der Autobahnbrücke über den Rhein gelangt, sowie von Rheinwasser aus dem Pumpwerk an der Grenzacher­strasse. In den Langen Erlen lässt man es zur Anreicherung des Grund­wassers ver­sickern, was zu natürlicher bakteriologischen Reinigung führt. Das Reservoir ist in einem grossen Gebäude untergebracht, wo regel­mässig Qualitäts­kontrollen durchgeführt werden und nach Bedarf Chlor zugesetzt, bevor es in unsere Häuser weitergeleitet wird.

Kaum jemand weiss heute noch, dass das älteste Elektrizitätswerk von Basel in den Langen Erlen steht. Es ist ein kleines, quadratisches Gebäude mit Walmdach am Riehenteich, einem Kanal der Wiese. Schon aus histo­rischen Gründen ist das 1923 erbaute Werklein erhaltenswert. Es wird immer noch genutzt und erbringt ca. 90 000 kWh pro Jahr.

Strassennamen

Es würde zu weit führen, an dieser Stelle die Namen aller im Hirzbrunnen vorkommenden Strassen zu erklären. Zum Teil sind sie recht originell, zum Teil beziehen sie sich einfach auf Ortschaften im Baselbiet, im nahen Aargau oder in Deutschland. Einige erinnern an für die Stadt bedeutende Persön­lich­keiten. Im 1999 im Merianverlag erschienen Buch «Die Basler Strassen­namen» von André Salvisberg sind diese ausführlich beschrieben.

Die Zukunft

Das Hirzbrunnen scheint fertig gebaut – kein leeres Grundstück mehr. Aber, so ist zu überlegen: Was bringen die nächsten Jahre? Was bringt das nächste Jahrhundert an Überraschungen? Abbruch ganzer Strassen­züge und das Quartier eine einzige Spiel- und Begegnungs­strasse? Überr­agende architektonische Leistungen oder Verbleiben im Gewohnten? Wir wissen es nicht, hoffen aber, dass das Hirzbrunnen auch künftigen Generationen attraktiven Lebensraum bieten kann.

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